Karl-Heinz Jeiter (D)
„Von der Linie als Zeichnung“ - Programmatisches zur eigenen Arbeit

zurück zur Textübersicht >>

 

Von der Linie als Zeichnung

Die Zeichnung ist seit prähistorischer Zeit bis heute die unmittelbarste bildnerische Ausdrucksmöglichkeit des Menschen. Mit ihr hielt er, in flüchtigen Skizzen und individueller Handschrift seine Beobachtungen, Ideen, Pläne, Gedanken und Eindrücke fest; aus ihr entwickelten sich die Schriftzeichen. Neben diesen und vielen anderen kulturellen Funktionen, diente die Zeichnung seit dem Mittelalter in der Kunst vor allem als Vorstudie zu Gemälden und Skulpturen und konnte sich erst in neuerer Zeit auch als autonomes Kunstwerk emanzipieren. Ob einfarbig oder bunt, ob in Stein geritzt, in Keramik gebrannt, auf Papier gezeichnet, in Büchern gedruckt oder mit dem Computer erstellt, gleich mit welchem Farbstoff oder Werkzeug sichtbar gemacht, haben doch alle Erscheinungsformen der Zeichnung ein entscheidendes Wesensmerkmal gemeinsam: die Linie.

In der modernen Kunst gibt es eine Tradition der Selbstreflexion des gemalten Bildes, dabei ist die flächig aufgetragene Farbe selbst in all ihren Ausdrucks-möglichkeiten Thema des Gemäldes. - Hier möchte ich anknüpfen - und mache in meinen Arbeiten die Linie selbst in all ihren Ausdrucksmöglichkeiten zum Thema meiner Zeichnungen.

Mit Graphitstiften in verschiedenen Härtegraden und Graphitpulver sowie mit Farbstiften in großer Anzahl zeichne ich auf glattem, weißem Papier. Linien, in Schraffuren angelegt, bilden farbige Flächen als „Grundierung“. Einzelne Linien stürzen darauf ein, verdichten sich, formen sich zu kristallinen, organischen oder amorphen Gestalten, die auf dem ganzen Format eine Komposition aus Proportionen und Farbklängen bilden. Ich bearbeite die Gestalten weiter. „Linienkörper“ mit Licht und Schatten und Raumillusionen entstehen. In dieses Gefüge greife ich ein, überarbeite die Körper immer wieder mit Radiergummi und Schmirgelpapier. - Partien des Bildes entwickeln sich zurück, machen anderen Linien platz, lassen neue Schichten entstehen, unter denen alte hervorblitzen. So ist ein komplexes Gebilde entstanden aus sich verdichtenden Linienbündeln, sowie aus einzelnen Linien, die auf den Betrachter zu oder von ihm weg tief in den schwarzen Graphitgrund eintauchen. Die Linien bilden nichts anderes ab als sich selbst, bilden in ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten einen ästhetischen Kosmos, den ich Zeichnung nenne.

Karl-Heinz Jeiter

 

zurück zur Textübersicht >>

 

 

 

 

 

 

 

copyright by bestpreiswerbung Aachen