Dr. Dirk Tölke (D)
Text für Artikel in der BBK-Zeitschrift „Kultur Politik“ 1/ 2007 - BBK Aachen/Euregio

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Text für Artikel in der BBK-Zeitschrift „Kultur Politik“ 1/ 2007


Autonome „Linienkörper“ in eigenem Galerieraum

Seit 2004 betreibt der 1995 gegründete BBK Aachen/Euregio am Adalbertsteinweg ein Büro mit angegliedertem Galerieraum. Konnte die vielseitige Kunst seiner Mitglieder in der Region zwischen Maas und Rhein vorher schon durch Aus-stellungen, etwa in Aachen in „Kunst an St. Peter“, im Ludwig Ludwig Forum für Internationale Kunst, in der Fronleichnamskirche und vielen anderen Orten, wie z.B. in leerstehenden Ladenlokalen in der Innenstadt, erfolgreich vermittelt werden, folgte 2001 eine eigene Internetseite (www.bbk-aachen.de) mit umfassenden und aktuellen Einblicken zu Aktivitäten und BBK-Künstlerinnen und Künstlern, die seit 2006 zudem in einer gebundenen Künstlermappe vorgestellt werden. Beteiligungen an Jury-sitzungen und Ausstellungen im Rahmen der jährlich stattfindenden Aachener Kunstroute, vertiefen die Öffentlichkeitsarbeit. Im Galerieraum finden für Mitglieder, aber auch für andere ausgewählte Künstlerinnen und Künstler pro Jahr ca. 8 wechselnde Ausstellungen statt, die damit ein kostenloses Forum zur Präsentation gewonnen haben, dass angesichts der zurückhaltend gewordenen Förderung und Präsentation lokal ansässiger Künstlerinnen und Künstler seitens der städtischen Institutionen einen kleinen Durchbruch bedeutete und als Raumangebot der Stadt einen errungenen Ausgleich bietet.


Zur Zeit stellt Karl-Heinz Jeiter Werke aus, die auf ungewöhnliche Weise die Grenze zwischen der linienbetonten Zeichnung und der flächenbetonten Malerei aufheben. Es handelt sich um gezeichnete Farbräume. Mit Graphitstiften verschiedener Härte, Graphitpulver und zurückhaltend eingesetzten Farbstiften füllt Jeiter flächendeckend weißes Papier, indem er Strich an Strich setzt, ausradiert, überschmirgelt und schraffiert. Trotz aller Dichte der erzeugten Bildsphären, in denen Form und Farbe aufeinanderprallen, bleibt die Linie als Grundelement sichtbar. Nicht erst seit er 1991 Leiter der Gestaltungswerkstatt im Ludwig Forum wurde, erkundet Jeiter täglich mit dem Stift die variantenreiche Welt seiner schroff sich ballenden und von lineraren Durchdringungen aufgestörten Bruchflächenräume. Dies abstrakten Welten bieten mit ihrer sparsamen und nüchternen intensiven Farbskala vage landschaftliche Assoziationen oder gewittrig glimmende Witterungsszenarien, in denen sich die Energie von Graphit und Farbe in eindrücklichen oder tänzelnd gesetzten Strichen niederschlägt. Die sturmzerzausten Linienbübdelungen wirken mal kristallin, mal amorph und geben der Linie körperhaftes Volumen und düster glimmende Luminiszenz. Eine wandfüllende mehrteilige Arbeit von 2002 ist mit „Rö.188“, nach dem Rötelfarbtonstift benannt, dessen Farbe in allen 32 auf Multiplex kaschierten Papieren auftaucht und die in Form, Richtung und Struktur variierenden Quadrat-flächen zusammenbindet. Serielles Arbeiten prägt Jeiters Vorgehensweise, die der aufgewühlten Struktur aber eine distanzierte Strenge beimengt, da die langsame Ent-stehungsweise dem spontanen gestischen Impuls der Strichsetzungen in der Verdichtung durch Parallelstriche eine analytische Zähmung abnötigt, die sich als raumschaffende Tiefenschichtung bemerkbar macht und die komplexen Gebilde zu „Linienkörpern“ werden lässt, wie der Künstler sie treffend bezeichnet. Allein Rhythmik, Tektonik und Farbe prägen die Werke, die aus Linien geborene sind, die Jeiter von ihrer Konturierungsfunktion entbunden hat, aber mit gediegener Dynamik zu unergründlichen Farbtiefen treibt.

Dirk Tölke

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